Kurven
Gleiskurven haben für den Modellbahner eine besondere Bedeutung, da aus Platzmangel meist nicht die Maße des Vorbilds 1:1 ins Modell umgesetzt werden können. Stattdessen werden Kurven enger als im Vorbild, was aber optisch schnell zum "Spielzeugbahneffekt" führen kann.
Dieser Artikel enthält daher zahlreiche Informationen, wie man Kurven im Modell gestalten kann.
Inhaltsverzeichnis |
Bogenradius
Der Kurvenradius ist der Abstand vom Kreismittelpunkt zur Mitte des Gleises. Ein kleiner Radius spart Platz und erlaubt abwechslungsreiche Fahrstrecken. Ein großer Radius ist näher am Vorbild und lässt lange Loks und Wagen besser aussehen. Lokomotiven mit vielen Achsen haben oft auch einen vom Hersteller angegebenen Mindestradius: Beispielsweise hat der Big Boy von Athearn einen Mindestradius von 478 und die DR-Baureihe 05 von Liliput einen Mindestradius von 360 mm. Auch können lange Wagen - insbesondere Personenwagen - bei zu engen Kurvenradien verkanten, wenn sich die Gehäuse im Innenkreis berühren.
Viele Hersteller von Schienenmaterial haben ihre Kurven mit einheitlichen Radien bezeichnet (R1, R2, etc.). Diese bezeichnung ist allerdings herstellerübergreifend nicht genormt, d.h. ein Kurvenstück R1 von z. B. Piko Spielwaren hat einen anderen Radius als ein Kurvenstück R1 von Roco. Eine Übersicht der Gleissysteme und Radien ist unter Gleisradius aufgeführt.
Der europäische Modellbahnverband MOROP hat zu den Bogenradien die Norm NEM 111 erarbeitet, die die herstellerübergreifende Standardisierung erleichtern soll. Die NEM 111 konzentriert sich primär darauf, dass möglichst viele Fahrzeuge durch die definierten Gleisradien fahren können. Optische oder vorbildgerechte Erwägungen spielen bei dieser Norm keine Rolle. Als Minimalradien definiert die NEM 111 folgende Werte (Auszug für die populärsten Nenngrößen in Normalspur, Angabe in Milimetern, SW=Spurweite):
Kurventypen | Wagentypen | Berechnung | IIm (G), Spurweite 45mm | Nenngröße 1, SW 45mm | Nenngröße 0, SW 32mm | Nenngröße H0, SW 16,5 mm | Nenngröße TT, SW 12mm | Nenngröße N, SW 9mm | Nenngröße Z, SW 6,5mm |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Minimalradius | alle Wagen | 30xSW | 1350 | 1350 | 960 | 495 | 360 | 270 | 195 |
Minimalradius | Wagen bis 20m Vorbildlänge | 21,5xSW | 967,5 | 967,5 | 688 | 354,75 | 258 | 193,5 | 139,75 |
Empfohlener Radius für Nebengleise in Bahnhöfen | Alle Wagen | 35xSW | 1575 | 1575 | 1120 | 577,5 | 420 | 315 | 227,5 |
Empfohlener Radius für Nebengleise in Bahnhöfen | Wagen bis 20m Vorbildlänge | 25xSW | 1125 | 1125 | 800 | 412,5 | 300 | 225 | 162,5 |
Empfohlener Radius für Hauptgleise auf Nebenbahnen | alle Wagen | 40xSW | 1800 | 1800 | 1280 | 660 | 480 | 360 | 260 |
Empfohlener Radius für Hauptgleise auf Nebenbahnen | Wagen bis 20m Vorbildlänge | 30xSW | 1350 | 1350 | 960 | 495 | 360 | 270 | 195 |
Empfohlener Radius für Hauptgleise auf Hauptbahnen | alle Wagen | 45xSW | 2025 | 2025 | 1440 | 742,5 | 540 | 405 | 292,5 |
Empfohlener Radius für Hauptgleise auf Hauptbahnen | Wagen bis 20m Vorbildlänge | 35xSW | 1575 | 1575 | 1120 | 577,5 | 420 | 315 | 227,5 |
Der Bogenradius beschreibt den halben Kreisdurchmesser, gemessen von der Schienenmitte. Will man z.B. den Raumbedarf einer Gleiswendel berechnen und dabei dem empfohlenen Radius für einen ICE in Spur H0 (Hauptgleis, Hauptbahn, lange Wagen) folgen, so ergibt sich als Formel 2xRadius + 2x (halbe Schienenbreite + einseitiger Lichter Raum der Geraden + zusätzlicher einseitiger lichter Raum in einer Kurve), also 2x742,5 + 2x (8,25 + 24 + 7) = 1485 + 78,5 = 1563,5 mm, d.h. die Gleiswendel benötigt etwas mehr als 1,5m im Durchmesser. Legt man nur den Minimalradius zugrunde und beachtet man die Auswirkungen der Norme NEM 103 korrekt, ergibt sich ein Durchmesser von 1076,5 mm, als etwas mehr als einen Meter und damit 1/3 weniger.
Bogenwinkel
Der Kurvenwinkel eines Gleises beschreibt den Anteil an einem vollen Kreis, der durch das Gleisstück abgedeckt wird. Der Kurvenwinkel ist damit unabhängig vom Radius, d.h. ein 30-Grad-Kurvenstück R3 deckt den gleichen Winkel ab wie ein 30-Grad-Kurvenstück R1, nur dass das R1-Stück näher am Kreismittelpunkt liegt und damit kürzer ist als das R3-Stück.
Parallelradien
Soll eine zweigleisige Strecke in einer Kurve verlaufen, so müssen die Gleise aus optischen Gründen auch in der Kurve mit gleichmäßigem Abstand verlaufen. Dabei erhält das Gleis der Innenkurve automatisch einen kleineren Radius als das Gleis der Außenkurve. Viele Hersteller haben ihre Radien so standardisiert, dass zwei Radien für eine zweigleisige Kurve geeignet sind, beispielsweise die Radien R3 und R4 des K-Gleises von Märklin.
Sicherheitsrelevant ist die Einhaltung des Mindestabstands zwischen den Gleisen, damit sich zwei Züge, die sich in der Kurve begegnen, nicht berühren. Beispielsweise ragen lange Personenwagen in der Kurve an ihren Enden weiter nach außen über das Gleis hinaus, während der Mittelteil durch die Drehgestelle weiter nach innen übersteht.
Korbbögen
Eine optisch besonders gelungene Kurvengestaltung beginnt eine Kurve mit einem sanften Radius und steigert diesen zur Mitte der Kurve hin. Diese Form wird "Korbbogen" oder auch "Eierkurve" genannt. Ein Korbbogen kann sowohl mit fertigen Standardradien erstellt werden (z.B. R5 - R4 - R3 - R3 - R4 - R5) als auch per Flexgleis. Ist nur eine Hälfte des Bögens einsehbar, kann der nicht einsehbare Teil auch ohne sanften Übergang gestaltet werden (z.B. R5 - R4 - R3 - R3 - R3 - R3).
Überhöhung der Kurve
Wie auch beim Vorbild lässt sich im Modell die Kurve überhöhen. Das bedeutet, dass die Gleise in der Kurve nicht Plan sondern mit einer leichten Neigung zur Kurvenmitte hin verlegt werden (etwa wie eine Steilkurve bei der Carrera-Bahn, nur deutlich schwächer geneigt). Beim Vorbild dient die Kurvenüberhöhung einerseits der Fahrsicherheit, andererseits dem Komfort der Fahrgäste, da die Fliehkraft nicht so sehr zu spüren ist.
Im Modell ist die Überhöhung technisch eigentlich nicht notwendig, da Modellzüge normalerweise nicht so hohe Fliehkräfte entwickeln, um "aus der Kurve zu fliegen". Der vorbildgerechten Optik wegen, insbesondere bei jüngeren Epochen und Schnellfahrstrecken, sollten die Kurven der freien Strecken jedoch auf jeden Fall überhöht werden.
Die praktische Umsetzung kann über Hölzchen von 1 oder 2 mm Dicke, die unter die Außenseite der Kurve geklebt werden bzw. entsprechende Kartonstreifen erfolgen. Frei tragende Trassenbretter können direkt mit der entsprechenden Neigung eingebaut werden.
Bitte beachten bei mehrgleisiger Streckenführung: Die Auflagefläche ("Planum") für die Gleise ist niemals als Ganzes geneigt! Vielmehr
sind alle Gleise auf gleicher Höhe, aber mit eigener geneigter Ebene zu verlegen.
Steigungen in der Kurve
In Kurven entsteht höhere Reibung als auf einer Geraden. Dies macht sich insbesondere bei langen oder schweren Zügen bemerkbar, die ohne Lastregelung in Kurven merklich langsamer werden. Liegt in der Kurve zusätzlich eine Steigung, verstärkt dies weiter die Belastung auf den Antrieb. Trotzdem lässt sich diese Kombinationen manchmal aus Platz- und Planungsgründen nicht verneiden. Dies ist insbesondere bei der Gleiswendel der Fall. Bei der Gleisverlegung einer Kurve mit Steigung entsteht insbesondere eine Ungenauigkeit bei der Länge der beiden Schienenstränge, da der Aussenstrang durch die Steigung mehr Strecke abdecken muss und damit geringfügig zu kurz ist. In der Praxis wird dies bei einem Halbkreis kaum auffallen, kann sich aber z.B. bei einer Gleiswendel über mehrere Stufen zu einem größeren Fehlstück aufaddieren, dass dann durch ein entsprechendes Flexgleis ausgeglichen werden muss.